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Flüchtlinge in Deutschland – Fakten und Argumente gegen die Angst

Flucht und Asyl - Die Diskussion in Deutschland

Die neue Flüchtlingssituation hat eine Debatte in der Öffentlichkeit, vor allem in den sozialen Medien ausgelöst, die oftmals nicht auf Zahlen und Fakten basiert. Menschen haben Angst vor einer Situation, die neu für sie ist, die sie nicht kennen, Angst vor dem Fremden, vor Menschen, die sie nicht kennen. Andere suchen und finden in einer angeblichen Angst einen Vorwand, ihrer Unzufriedenheit mit der eigenen Situation Luft zu verschaffen – auf Kosten von Schwächeren. Für wieder andere ist das Thema endlich eine Möglichkeit, ihre eindeutig rassistischen Einstellungen endlich offen und öffentlich zeigen zu können. 
Das Thema Flucht und Asyl wird nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa hoch emotional behandelt. Dies ist Grundlage und Nährboden für ideologische Brandstifter, die mit den Zweifeln, den Bedenken und der Unwissenheit der Bevölkerung spielen. Es werden Unwahrheiten verbreitet, Fakten geleugnet und zu Hetze und Hass angestachelt. Oftmals unter dem Deckmantel der Sorge um „unser Land“ und Besorgnis um „unsere Bürger“, vielfach beschleunigt und ungefiltert durch die unmittelbaren Kommunikationswege. Neben der großen Hilfsbereitschaft und Willkommenskultur, die auch in Rheinland-Pfalz gelebt wird, gibt es auch hier rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut, das teilweise in Gewalttaten und Übergriffen gipfelt.

Flüchtlingskrise?

Gerade bei einem emotional so aufgeladenen Thema sollte auch bei der Berichterstattung auf die Wortwahl geachtet werden. Das beginnt schon bei der gängigen Zuschreibung der schwierigen Situation als Flüchtlingskrise. 
Hier wird das Problem, die Krise, deutlich bei den Flüchtlingen verortet. Die Flüchtlinge stellen aber an sich kein Problem dar, sondern fliehen selbst vor Krisen und Problemen, an denen europäische Staaten oft nicht ganz unbeteiligt sind. Wenn Sie in Europa ankommen, stellt sich das Problem der Versorgung, Unterbringung und Verfahrensabwicklung. 
Dadurch, dass in den letzten Jahren viele Kapazitäten im Bereich Flüchtlinge und Asyl abgebaut wurden und zu spät auf die absehbare Zahl von Flüchtenden reagiert wurde, entstand eine Überforderung und damit der Eindruck, dass die Zahl unbewältigbar sei. Dabei handelt es sich um einen Ressourcenmangel oder eine Verwaltungskrise, wenn zu wenig Personal zur Bearbeitung der Anträge und zur Betreuung der Ankommenden bereitsteht. 
Es handelt sich um eine Vermittlungs- und Informationskrise, wenn die BürgerInnen vor Ort oft zu spät und schlecht über die Unterzubringenden informiert wurden und versäumt wurde, gemeinsam Konzepte zur Integration auszuarbeiten. Es handelt sich um eine humanitäre Krise, wenn Menschen aus angeblichen oder wirklichen diffusen Ängsten heraus eine konkrete Gewaltbereitschaft entwickeln. Sie verschärfen die Situation mutwillig durch Sachbeschädigungen und Brandstiftungen, die die Unterbringungssituation erschwert und die Kosten in die Höhe treiben. Auch vor Körperverletzung und Mordanschlägen wird nicht mehr zurückgeschreckt. Das ist eine beängstigende Entwicklung, die allerdings mehr über die Verfasstheit der Gesellschaft aussagt, als über die Flüchtlinge oder die tatsächlichen Probleme, die bei den derzeitigen Fluchtbewegungen bewältigt werden müssen. Wer sich gegen die Flüchtlinge richtet, verschärft die Krise, anstelle an einer Lösung zu arbeiten!

Das beste Mittel gegen Gerüchte und Vorurteile: Fakten und sachliche Argumente

Daher hat sich die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz entschlossen, das Thema Flucht und Asyl noch einmal aufzugreifen, grundlegende Informationen zu diesen Themen zu geben und gängigen Vorurteilen Fakten, Zahlen und gute Argumente gegenüberzustellen. Wer kommt zu uns? Wie läuft das Asylverfahren ab? Welche Rechte und Pflichten haben Geflüchtete in Deutschland? Was steht hinter Falschaussagen, Gerüchten und Vorurteilen gegenüber Asylbewerbern? Welche Argumente werden wozu instrumentalisiert? Wie kommen sie zustande? Zudem gibt es Links zu vertiefender Literatur, offiziellen Dokumenten, Zahlen und Statistiken und nützlichen Websites, die bei der counter speech, der Gegenrede hilfreich sind. 

Weltweit so viele Flüchtlinge wie noch nie

Im Jahr 2015 wurden etwas mehr als eine Million Asylsuchende in Deutschland registriert1. Das ist die höchste Zahl seit 25 Jahren. Viele von ihnen fliehen vor Krieg und Zerstörung, vor diktatorischen Regimen und Terroristen, vor politischer oder religiöser Verfolgung, vor zerstörten Lebensgrundlagen und gewalttätigen Übergriffen. 59,5 Millionen Menschen waren 2014 weltweit auf der Flucht. Das ist die höchste Zahl, die jemals vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) verzeichnet wurde. Darunter befanden sich 19,5 Millionen Flüchtlinge, die ihr Land verlassen mussten und 1,8 Millionen Menschen, die einen Antrag auf Asyl in einem sicheren Land stellten. Der größte Teil der Menschen die sich auf die Flucht begeben (38,2 Millionen) bleibt aber innerhalb des eigenen Landes. Das Land mit der größten Fluchtbewegung ist Syrien. Hier nehmen die Nachbarländer Türkei, Libanon, Irak, Ägypten und Jordanien laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International 95% der Geflüchteten auf. Nur ein kleiner Teil macht sich tatsächlich auf den Weg nach Europa, ein noch kleinerer Teil kommt dann schlussendlich in Deutschland an, um hier einen Asylantrag zu stellen. In der EU wurden 2015 insgesamt knapp über eine Million Asylanträge gestellt, davon 476,620 in Deutschland. Somit ist es richtig, dass Deutschland im europäischen Vergleich die meisten Asylbewerber aufnimmt. Allerdings ist Deutschland auch das bevölkerungsreichste Land der Europäischen Union. Pro Einwohner nehmen Ungarn und Schweden die meisten Flüchtlinge auf. Zum Vergleich: Die Türkei hat mit 1,84 Millionen absolut die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist hier Libanon mit circa 1,5 Millionen Flüchtlingen bei vier Millionen Einwohnern „Spitzenreiter“. 

Pro Asyl hat eine Informationsausstellung zu dem Thema erarbeitet, die im Internet angesehen, aber auch bestellt und ausgeliehen werden kann. 

Die Bundeszentrale für politische Bildung  hat einige Daten und Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übersichtlich zusammengestellt. Dort finden Sie auch weitere Links u.a. zum Jahresbericht 2014 des BAMF.

Flucht und Fluchtgründe - Wer kommt warum zu uns?

Im Jahr 2015 waren Syrer und Syrerinnen mit 53,7% die zuzugsstärkste Nationalität, gefolgt von Menschen aus dem Irak (13,0%) und aus Afghanistan (9,7%). Rund 66,9% der Asylsuchenden waren männlich. 41,8% der AntragstellerInnen waren unter 30 Jahre alt. Das hängt damit zusammen, dass oft nur die Flucht eines Familienmitglieds finanziert werden kann. Es wird dann die Person losgeschickt, die die körperlichen und seelischen Strapazen einer Flucht am besten verkraften kann, denn die Flucht in Sicherheit ist lang und gefährlich. 

Laut der Hilfsorganisation für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) sind in diesem Jahr zum ersten Mal mehr Frauen und Minderjährige als Männer auf der „Balkan Route“ in Richtung sicheres Europa unterwegs. Dies hat vielerlei Gründe: zum einen wird die Lage in den Krisengebieten selbst und den Flüchtlingslagern in den angrenzenden Regionen immer prekärer. Oft fehlt es auch dort an Grundlegendem wie sauberem Wasser und Nahrung. Zudem fürchten viele Familien, dass die Gesetze in puncto Familiennachzug weiter verschärft werden.

Die häufigsten Herkunftsländer im Überblick

Syrien ist ein Bürgerkriegsland, geführt von einem autokratischen Regime unter Baschar al-Assad, der das Aufbegehren der syrischen Bevölkerung nach Freiheit, Rechten und Demokratie unterdrückt. Zudem werden Teile Syriens von der so genannten Terrororganisation Islamischer Staat beherrscht. 
Doch auch im Kosovo oder in Albanien ist die Lage äußerst prekär. Nicht nur die schlechte wirtschaftliche Lage und Korruption, auch unterschiedliche Diskriminierung und organisierte Kriminalität lassen Menschen nach Deutschland aufbrechen. Übers Jahr 2015 verteilt, stehen diese Länder noch an zweiter und dritter Stelle der Herkunftstaaten. Doch gegen Ende des Jahres von den Ländern Irak und Afghanistan abgelöst: Im Irak herrschen auch nach der durch die USA geführten Intervention immer noch bürgerkriegsähnliche Zustände. 
In Afghanistan hat sich die Lage nach dem Abzug internationaler Truppen wieder stark verschlechtert. Die afghanische Bevölkerung leidet vor allem unter den ethnischen Konflikten und der Gewalt der Terroristen der Taliban. Die Mehrheit der Asylsuchenden kommt also nach Deutschland, weil sie in ihren Heimatländern um ihr Leben fürchten müssen und der Staat den Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger nicht mehr gewährleisten kann. 

Die Zahlen können in der Asylgeschäftsstatistik des BAMF eingesehen werden.

Wirtschaftsflüchtlinge?

Die Diskussion um sogenannte ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘ wurde lange insbesondere in Bezug auf Menschen geführt, die vom Balkan nach Deutschland kamen. Die Länder sind als ‚sichere Drittstaaten‘ eingestuft, was die Berechtigung hier einen Asylantrag zu stellen, einschränkt. Viele Menschen, die aus dieser Region nach Deutschland kommen, gehören der Gruppe der Sinti und Roma an. Diese sind in osteuropäischen Ländern wie auch auf dem Balkan in hohem Maße Diskriminierung ausgesetzt und werden häufig Opfer rassistischer Gewalt. Bei der Gemengelage von Flucht- und Migrationsgründen sind die Übergänge von wirtschaftlicher zu politischer Flucht oft fließend und mehrere Faktoren geben den Ausschlag für eine Anerkennung oder Ablehnung. In Deutschland wird Ihnen häufig aber pauschal unterstellt, ihre Fluchtgründe seien nicht anerkennungswürdig. In Schnellverfahren wird es den Geflüchteten oft weiter erschwert, ihre individuellen Fluchtgründe, die durchaus zu einer Anerkennung führen können, ausreichend darzulegen. Des Weiteren stand die öffentliche Diskussion lange im starken Missverhältnis zu den tatsächlichen, aktuellen Zahlen. Flüchtlinge aus den Balkanstaaten machen zur Zeit weniger als zehn Prozent der AntragstellerInnen aus. 

Natürlich gibt es auch Menschen, die aus rein ökonomischen Motiven nach Deutschland kommen. Das mag menschlich verstehbar sein, das Asylrecht schließt jedoch von vornherein eine Asylberechtigung aus diesen Gründen aus. So wurden 2015 u.a. aus diesem Grund 32,4 % der Asylgesuche abgelehnt. Ein pauschaler und abwertend gemeinter Begriff wie Wirtschaftsflüchtling ist aber in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. 
  

Geflüchtete in Rheinland-Pfalz

Asylbewerber werden nach einem festgelegten Prinzip auf die einzelnen Bundesländer verteilt, dem so genannten „Königsteiner Schlüssel“1. Nach Rheinland-Pfalz kommen 4,8% der registrierten AntragstellerInnen. Im Jahr 2015 waren das 52. 846 Menschen, davon stammten mehr als die Hälfte aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Nach etwa drei Monaten in der Erstaufnahmeeinrichtung2 werden die AsylbewerberInnen auf die Kommunen im Land verteilt. Die Kommunen entscheiden eigenständig, wo und wie sie die Asylsuchenden unterbringen. Die Bearbeitung eines Asylantrags dauert gerade durchschnittlich etwa sieben bis acht Monate, kann sich aber auch über Jahre hinziehen. Bevor AsylbewerberInnen keinen positiven Bescheid bekommen haben, dürfen sie weder arbeiten, noch umziehen oder einen Integrationskurs beginnen. D.h. wer ein Interesse an einer schnelleren und besseren Integration hat, sollte daran arbeiten, die Bearbeitungszeiten der Asylanträge zu beschleunigen und ausreichend Kurse zur Verfügung stellen. Eine ‚Integrationspflicht‘ zu fordern, geht an der aktuellen Situation vorbei und schürt Vorurteile, weil durch die Art der Argumentation den Geflüchteten unterstellt wird, sie wollten sich nicht integrieren. In den meisten Fällen stellt es sich aber genau andersherum dar, dass den Integrationswilligen (noch) keine Angebote gemacht werden können. 

Ausführliche Informationen zu Asyl in Rheinland-Pfalz finden Sie in der Broschüre „Fragen und Antworten zum Thema Flüchtlinge“ des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen (MIFKJF). 

Auf http://refugees.rlp.de/de/startseite/ erhalten Geflüchtete erste Informationen zum Leben in Rheinland-Pfalz und ihrem Asylantrag in den Sprachen Deutsch, Englisch und Arabisch.

Ehrenamtliche Helfer leben Willkommenskultur

Viele ehrenamtliche Helfer setzen sich in Rheinland-Pfalz für die Belange von Geflüchteten ein, helfen bei Behördengängen oder dem Zurechtfinden im Alltag, organisieren Begegnungscafés, unterrichten Deutsch, gestalten Freizeitprogramme oder helfen mit Geld- oder Sachspenden. 

Die Koordinierungsstelle „Ehrenamtliche Aktivitäten im Flüchtlingsbereich in Rheinland-Pfalz“ schätzt die Zahl der Ehrenamtlichen in diesem Bereich auf circa 10. 000. Auf der Website der Koordinierungsstelle für „Ehrenamtliche Aktivitäten im Flüchtlingsbereich“ erhalten Sie Informationen, Adressen und Arbeitsmaterial rund um das Thema Ehrenamt. 

Best-practice: Die Jugenheimer Initiative Willkommen im Dorf hat eine Broschüre erstellt, in der sie ihre Erfahrung bei der überwiegend ehrenamtlichen Arbeit mit und Integration von Flüchtlingen im Dorf beschreiben. Zur Nachahmung empfohlen! http://menschen-wie-wir.de/helfen/willkommen-im-dorf.html

Ausländerfeindliche Übergriffe nehmen zu

Trotz dieser überwältigenden Zahlen ist auch eine Tendenz in die entgegengesetzte Richtung zu verzeichnen. Denn auch die Gewalt gegenüber AsylbewerberInnen hat 2015 stark zugenommen. So gab es im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz 29 Angriffe auf Unterkünfte, davon sieben Brandanschläge. Die Zahl der registrierten rechtsextremen Straftaten ist um 35 Prozent auf etwa 700 gestiegen1. 

Die Amadeu Antonio Stiftung bemüht sich, die Gewalttaten in einer Chronik zu dokumentieren, die nicht vollständig ist, aber dennoch einen Eindruck vermittelt: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/2015/troeglitz-ist-kein-einzelfall-chronik-der-gewalt-gegen-fluechtlinge/ 

Auch auf europäischer Ebene nehmen rechte Aktivitäten zu. Das Projekt entgrenzt versucht, die Vernetzung europäischer rechter Initiativen übersichtlich darzustellen.

 

 

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